Dienstag, 26. August 2025

der Schmetterlingseffekt - wie ein Lufthauch oder eine Kaffeetasse (vielleicht?!) die Welt ändern

 


Diese Geschirrgeschichte, eine Kaffeetassengeschichte, ist neueren Datums als meine erste Geschirrgeschichte. Sie ereignete sich in einem meiner Spanienurlaube in Oviedo, der Hauptstadt Asturiens. Ihre Botschaft, oder besser die Botschaft, die sie neben ihrer aufgedruckten Schriftaussage mir an diesem Tag konkret mitgab, die allerdings ist hoffentlich zeitlos und allgemeingültig.

Es war meine letzte Übernachtung im einfachen Stadtrandhotel Oviedos, wo ich in der angegliederten Bar zum Frühstückskaffee diese o. a. Kaffeetasse vor mir stehen hatte. Der aufgedruckte Spruch: 

“Si quieres cambiar el mundo, empieza por una taza de café Bio”

 auf deutsch: 

“Wenn du die Welt verändern möchtest, fange mit einer Tasse Biokaffee an”

gefiel mir so gut, dass ich den Kellner bzw. Barbetreiber fragte, ob ich so eine Tasse als Andenken kaufen könne. Er schaute mich kurz prüfend und wie ich fand - ein bisschen kritisch - an und antwortete kurz und bündig: “No!” Die Tassen verkaufe er nicht. Tja … “Schade” … für mich … dachte ich.

Als ich fertig gefrühstückt hatte und bezahlen wollte - das Frühstück war im Zimmerpreis nicht inbegriffen - stellte er eine leere, saubere und nur ein klitzekleines bisschen angeschlagene Tasse vor mich hin. Ichso: “Fragezeichen?” Er: “Die gehört dir. Als Andenken” Ich: “Kann ich doch eine kaufen? Was kostet sie?” Er: “Nein! Kaufen geht nicht. Ich verkaufe sie nicht. Wenn du Geld gibst, bekommst du sie nicht. Das ist heute mein zweiter Schritt, die Welt zu verändern. Viel Spaß damit!” Und nun lächelte er.

Sehr! glücklich und beschwingt verließ ich an diesem Tag mit der bruchsicher im Koffer gut verpackten Tasse das Hotel. Musste noch Zeit bis zur Abfahrt des Busses zum Flughafen überbrücken und tat dies Eis essend in der Fußgängerzone Oviedos. Wo ein Straßenmusikant in meiner Nähe sehr gefühlig “What a wonderful world” trompetete und damit nicht mehr und nicht weniger ausdrückte als das, was ich empfand. Was für eine wunderbare Welt es doch manchmal ist, in der ich leben darf! 

Das Trompetensolo öffnete das berührte Herz gleich noch weiter, ich warf dem Musikanten deutlich mehr als üblich in das Sammelgefäß zu seinen Füßen. Nicht, weil ich etwas bezahlen wollte. Sondern um ein bisschen vielleicht weiterzugeben von dem Glücksgefühl, das die Geste des Barbetreibers in mir zum Klingen gebracht hatte. In der Hoffnung, einen Tsunami des Guten in der Welt anzustoßen oder zumindest eine kleine Welle der Freude, die unterschiedliche Menschen durch den Tag trägt. So wie der Flügelschlag eines Schmetterlings laut Chaostheorie am anderen Ende der Welt einen Tornado auslösen könnte.

Immer wenn ich die Tasse im Schrank betrachte - sie wird selten genutzt aber sie hat einen Ehrenplatz in der ersten Reihe - immer dann funkelt auch ein Jahr später noch ein kleines freudiges Glimmen des Glücks in mir auf. Dass sie die Welt verbessern wird, kann ich nicht beschwören. Meine Laune verbessert sie immer und immer wieder.

☕️




Freitag, 22. August 2025

Aus meinem Haushalt: eine Geschirr-Geschichte

Schon vor vielen Jahren - inzwischen sind Jahrzehnte daraus geworden - kommentierte eine damals enge Freundin den Zustand meiner Münsteraner Wohnung mit: “Dein einziger Stil ist die totale Stillosigkeit”.

Ich war nicht beleidigt. Im Gegenteil: mir gefiel das. Damals hatte ich auch wahrlich andere Probleme als “Stil”. Zum Beispiel hatte ich ziemlich wenig Geld und kämpfte immer darum -  und das auch immer erfolgreich - nicht ins finanzielle Minus zu rutschen (zumindest, wenn man die Bafög-Schulden nicht mitzählte ;)

So bestand der größte Teil meiner zusammengewürfelten Habseligkeiten aus Sperrmüllfunden, von anderen ausgemusterten Gegenständen, auf Flohmärkten zusammengekauft  oder aus der Rubrik “zu verschenken” der damals noch verbreiteten wöchentlichen kostenlosen Anzeigenblätter.

 

So fand ich - es muss irgendwann zwischen 1990  und 1995 gewesen sein - im damals noch in Münster  mehrmals im Jahr pro Wohngebiet stattfindenden Sperrmüll vor dem von vier Wohnparteien bewohnten Nachbarhaus einige völlig intakte Geschirrteile eines Service von Hutschenreuther, das schon damals ziemlich retro wirkte. Muster, wie sie Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre auch auf Tapeten ziemlich verbreitet waren.  Im Sperrmüll lagen - ich glaube vier oder fünf - große flache Teller (inzwischen sind es nur noch drei), eine Salatschüssel und eine Suppenterrine. 



Ich nahm sie mit und integrierte sie in meinen wie gesagt ziemlich kunterbunt zusammengewürfelten damals noch Alleinerziehenden-Haushalt. Und nahm sie beim Umzug Anfang 2000 auch mit nach München. Mitgenommen wurden lediglich wenige Dinge Sie mussten  in eine einzige Fuhre  eines für den Umzug gemieteten Sprinter + den Kofferraum eines Ford Fiesta passen. Das war für einen umziehenden zwei-Personen-ein-Hund-Haushalt nicht allzu viel und einiges davon noch älter und noch zusammengestückelter als das Geschirr. Aber ich hing und hänge immer noch genau an solchen Bestandteilen meiner Besitztümer.

Jahre später, es müssen mehr als zehn, eher fünfzehn gewesen sein und ist jetzt aber auch schon wieder an die zehn Jahre her, bekam ich Besuch von einer meiner damaligen Nachbarinnen mit der ich auch ein wenig befreundet war damals. Sie wohnte in dem vier-Parteien- Haus neben dem vier-Parteien-Haus, in dem ich mit meinem Sohn wohnte. Wir hatten beide von einer weiteren Nachbarin je einen Welpen aus einem ungeplanten Wurf bei uns aufgenommen und ihre “Bibi” und unser “Quax” spielten genauso häufig und gerne miteinander wie ihr Sohn und mein Sohn es taten. 

Und nun besuchte diese Nachbarin mit einem Lebensgefährten Bayern und in diesem  Zuge auch mich. Die beiden  waren einige Tage bei uns und bei einer gemeinsamen Mahlzeit kam auch dieses Geschirr zum Einsatz. Sie betrachtete es verblüfft und kommentierte: “Das ist ja witzig! Genau so ein Geschirr hatte ich früher auch mal!”

Ich fragte nach, was aus ihrem Geschirr denn geworden sei und bekam die Antwort, es hätte ihr damals nicht mehr gefallen und sie es sowieso nicht vollständig besessen sondern nur einige Teile irgendwann geschenkt bekommen (auch sie damals alleinerziehend wie viele in der Nachbarschaft). Also habe sie es irgendwann - es müsse jetzt mindestens zwanzig Jahre her sein - in den Sperrmüll getan.

Woraufhin ich ihr freudig mitteilen konnte: “Gisela - du isst gerade in München von einem Teller, den DU vor zwanzig Jahren in Münster in den Sperrmüll geworfen hast. Es IST dein Geschirr, das ich damals vor eurem Haus aufgesammelt und mitgenommen habe.” 

Ich muss wohl kaum erwähnen, dass wir beide die Geschichte ziemlich komisch fanden und ich seitdem an den verbliebenen wenigen Teilen noch mehr hänge als vorher schon. Besonders der Schüssel sieht man an: es ist meine am häufigsten benutzte Schüssel und  mehrmals pro Woche in der Spülmaschine.


🍽️ 🥗