Schon vor vielen Jahren - inzwischen sind Jahrzehnte daraus geworden - kommentierte eine damals enge Freundin den Zustand meiner Münsteraner Wohnung mit: “Dein einziger Stil ist die totale Stillosigkeit”.
Ich war nicht beleidigt. Im Gegenteil: mir gefiel das. Damals hatte ich auch wahrlich andere Probleme als “Stil”. Zum Beispiel hatte ich ziemlich wenig Geld und kämpfte immer darum - und das auch immer erfolgreich - nicht ins finanzielle Minus zu rutschen (zumindest, wenn man die Bafög-Schulden nicht mitzählte ;)
So bestand der größte Teil meiner zusammengewürfelten Habseligkeiten aus Sperrmüllfunden, von anderen ausgemusterten Gegenständen, auf Flohmärkten zusammengekauft oder aus der Rubrik “zu verschenken” der damals noch verbreiteten wöchentlichen kostenlosen Anzeigenblätter.
So fand ich - es muss irgendwann zwischen 1990 und 1995 gewesen sein - im damals noch in Münster mehrmals im Jahr pro Wohngebiet stattfindenden Sperrmüll vor dem von vier Wohnparteien bewohnten Nachbarhaus einige völlig intakte Geschirrteile eines Service von Hutschenreuther, das schon damals ziemlich retro wirkte. Muster, wie sie Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre auch auf Tapeten ziemlich verbreitet waren. Im Sperrmüll lagen - ich glaube vier oder fünf - große flache Teller (inzwischen sind es nur noch drei), eine Salatschüssel und eine Suppenterrine.

Ich nahm sie mit und integrierte sie in meinen wie gesagt ziemlich kunterbunt zusammengewürfelten damals noch Alleinerziehenden-Haushalt. Und nahm sie beim Umzug Anfang 2000 auch mit nach München. Mitgenommen wurden lediglich wenige Dinge Sie mussten in eine einzige Fuhre eines für den Umzug gemieteten Sprinter + den Kofferraum eines Ford Fiesta passen. Das war für einen umziehenden zwei-Personen-ein-Hund-Haushalt nicht allzu viel und einiges davon noch älter und noch zusammengestückelter als das Geschirr. Aber ich hing und hänge immer noch genau an solchen Bestandteilen meiner Besitztümer.
Jahre später, es müssen mehr als zehn, eher fünfzehn gewesen sein und ist jetzt aber auch schon wieder an die zehn Jahre her, bekam ich Besuch von einer meiner damaligen Nachbarinnen mit der ich auch ein wenig befreundet war damals. Sie wohnte in dem vier-Parteien- Haus neben dem vier-Parteien-Haus, in dem ich mit meinem Sohn wohnte. Wir hatten beide von einer weiteren Nachbarin je einen Welpen aus einem ungeplanten Wurf bei uns aufgenommen und ihre “Bibi” und unser
“Quax” spielten genauso häufig und gerne miteinander wie ihr Sohn und mein Sohn es taten.
Und nun besuchte diese Nachbarin mit einem Lebensgefährten Bayern und in diesem Zuge auch mich. Die beiden waren einige Tage bei uns und bei einer gemeinsamen Mahlzeit kam auch dieses Geschirr zum Einsatz. Sie betrachtete es verblüfft und kommentierte: “Das ist ja witzig! Genau so ein Geschirr hatte ich früher auch mal!”
Ich fragte nach, was aus ihrem Geschirr denn geworden sei und bekam die Antwort, es hätte ihr damals nicht mehr gefallen und sie es sowieso nicht vollständig besessen sondern nur einige Teile irgendwann geschenkt bekommen (auch sie damals alleinerziehend wie viele in der Nachbarschaft). Also habe sie es irgendwann - es müsse jetzt mindestens zwanzig Jahre her sein - in den Sperrmüll getan.
Woraufhin ich ihr freudig mitteilen konnte: “Gisela - du isst gerade in München von einem Teller, den DU vor zwanzig Jahren in Münster in den Sperrmüll geworfen hast. Es IST dein Geschirr, das ich damals vor eurem Haus aufgesammelt und mitgenommen habe.”
Ich muss wohl kaum erwähnen, dass wir beide die Geschichte ziemlich komisch fanden und ich seitdem an den verbliebenen wenigen Teilen noch mehr hänge als vorher schon. Besonders der Schüssel sieht man an: es ist meine am häufigsten benutzte Salatschüssel und mehrmals pro Woche in der Spülmaschine.
🍽️ 🥗
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